Musikgeschichte Hamburgs
Wie in anderen Hanse- und freien Reichsstädten gelangte auch in Hamburg die bürgerliche Musikkultur früh zu hoher Blüte. 1660 gründete beispielsweise Matthias Weckmann, seinerzeit Schüler des großen Heinrich Schütz in Dresden und nun Organist an St. Jacobi, ein Collegium musicum.
Außerdem kann Hamburg auf eine über 300-jährige, höchst lebendige Operntradition zurückblicken. Bereits 1678 wurde am Gänsemarkt – zunächst gegen erbitterten Widerstand der hohen Geistlichkeit – das erste vom Bürgertum getragene Opernhaus Deutschlands eröffnet, das aus Gründen der allgemeinen Verständlichkeit hauptsächlich deutschsprachige Opern spielte. Einer ihrer Komponisten war der junge Georg Friedrich Händel, der hier von 1703 bis 1706 die ersten Erfahrungen als Opernkomponist und Kapellmeister gewinnen konnte, bevor es ihn nach Italien zog.
Kurze Zeit später zeigte die bürgerlich-kaufmännische Gesinnung der Hamburger allerdings ihre Schattenseiten; als sich im November 1720 der damalige Köthener Hofkapellmeister Johann Sebastian Bach als Organist an der Arp-Schnitger-Orgel der Jacobikirche bewarb, kam eine Anstellung nicht zustande – vermutlich wegen der 4000 Mark, die die Bewerber im Falle einer Anstellung zu entrichten hatten. Erst Johann Sebastian Bachs zweitältestem Sohn Carl Philipp Emanuel Bach gelang es 1768, als Musikdirektor der fünf Hauptkirchen in der Hansestadt Fuß zu fassen. Damit wurde er Nachfolger Georg Philipp Telemanns, der dieses Amt von 1721 bis zu seinem Tode 1767 bekleidete und als Musikdirektor und Leiter der Oper auch die Fäden des reichhaltigen bürgerlichen Musiklebens fest in der Hand gehalten hatte.
In der Klassik und Romantik baute Hamburg seinen Ruf als bedeutende Kulturmetropole weiter aus. Schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts war die Stadt zu einer Stätte der Shakespeare-Pflege geworden, und auch die Oper befand sich u.a mit den Werken Christoph Willibald Glucks und Wolfgang Amadeus Mozarts auf der Höhe der Zeit. Daneben etablierte sich mit mehreren Theater- und Musikjournalen eine lebendige feuilletonistische Presselandschaft.
Auch die jeweils modernste Opernmusik der Zeit stieß in der Stadt an der Elbe auf ein interessiertes Publikum. So wurde 1822, ein Jahr nach der Berliner Uraufführung, Webers Freischütz gespielt, und nach Rienzi (1844) und Tannhäuser (1863) konnte sich auch Richard Wagner 1870 mit Die Meistersänger von Nürnberg bei den Hamburgern durchsetzen.
1827 wurde das neue Opernhaus am Dammtor errichtet, und zwei Jahre später war mit der Philharmonischen Konzertgesellschaft ein Berufsorchester ins Leben gerufen worden, dessen Leiter Friedrich Wilhelm Grund das Hamburger Publikum mit der Musik der Romantik vertraut machte. In dieser Zeit wurde das Hamburger Konzertleben zusätzlich durch Auftritte der größten Virtuosen des 19. Jahrhunderts bereichert. So gastierten Niccolo Paganini oder die gefeierten Sopranistinnen Jenny Lind und Henriette Sontag in der Hansestadt, und mehrmals führte auch der Weg Clara Schumanns nach Hamburg.
Im November 1840 gab Franz Liszt ein umjubeltes Konzert im Hamburger Stadttheater. Dieses denkwürdige Konzert ging in die Annalen der Hansestadt ein, da der große Pianist, der sich Zeit seines Lebens für sozial schwache Musiker engagierte, den Ertrag des Konzertes von fast 2.500 Mark dem Theaterkomitee zur Einrichtung eines Pensionsfonds für die Mitglieder des Orchesters des Stadttheaters stiftete. Ab 1886 war Hans von Bülow Dirigent der Abonnementskonzerte, und ab 1891 sorgte der junge Gustav Mahler für sechs Jahre als Erster Kapell- meister an der Hamburger Oper für eine neue Glanzzeit des Hauses. Im Wahrzeichen der Stadt, der Hauptkirche St. Michaelis, empfing Mahler am 29. März 1894 bei der Trauerfeier für Hans von Bülow die Inspiration für das gewaltige Finale seiner Auferstehungs-Symphonie.
Anfang des 20. Jahrhunderts war Caruso regelmäßiger Gast in Hamburg, und in der Folgezeit wirkten in der Stadt so berühmte Dirigenten wie Otto Klemperer, Felix Weingartner, Karl Muck, Eugen Jochum, Hans Schmidt - Isserstedt, Karl Böhm, Joseph Keilberth und Günter Wand.
1824 wurde im damals dänischen Altona der zu Lebzeiten sehr berühmte romantische Komponist Carl Reinecke geboren. Befreundet mit Robert Schumann und Johannes Brahms, brachte er es zum Leipziger Gewandhaus-Kapellmeister und Direktor des dortigen Konservatoriums.
Die beiden bedeutendsten in Hamburg geborenen Komponisten sind jedoch Felix Mendelssohn Bartholdy, der 1809 in der Großen Michaelisstraße zur Welt kam, seine Geburtsstadt aber bereits 1811 verlassen musste, und Johannes Brahms, der 1833 im Gängeviertel unweit von St. Michaelis das Licht der Welt erblickte und Zeit seines Lebens vielfältige Verbindungen zu seinem Hamburger Freundes- und Verwandtenkreis unterhielt.
1853 verließ er Hamburg, kehrte aber bald zurück und gründete 1859 einen Frauenchor in Hamburg. 1862 jedoch wurde die von Brahms erhoffte Stelle als Leiter der Philharmonischen Konzerte nicht ihm, sondern dem mit ihm befreundeten Sänger Julius Stockhausen angetragen.1889 ehrten die Hamburger den seit den sechziger Jahren in Wien lebenden Komponisten mit der Ehrenbürgerwürde. Aber als man ihn 1894 schließlich doch noch bat, die Leitung der Philharmonischen Konzerte zu übernehmen, hat er dankend abgelehnt mit der Empfehlung, doch einen jüngeren Dirigenten damit zu beauftragen, der – wie Brahms es selbst damals für sich gewünscht hätte – sehr gern eine solche Stelle übernehmen würde.